Erneuerbare Energien decken zunehmend die Energienachfrage in Deutschland – verlässlich und zu stetig sinkenden Kosten. Für den Klimaschutz, die Energieunabhängigkeit und die Zukunftsfähigkeit unseres Wirtschaftssystems ist das unerlässlich, wie zuletzt die Energiepreiskrise infolge der russischen Invasion der Ukraine gezeigt hat.
Doch damit der Übergang in ein klimaneutrales Energiesystem gelingen kann, braucht es mehr als nur Solaranlagen und Windräder. Nötig sind Infrastrukturen und politische Rahmenbedingungen, um das schwankende Angebot erneuerbaren Stroms effizient zu nutzen, zu speichern und zu transportieren. Ebenso braucht es Lösungen, um die Versorgung in Zeiten mit wenig Strom aus Wind und Solar zu sichern und Energie auch dort bereitzustellen, wo eine Elektrifizierung nicht wirtschaftlich oder zielführend ist. Entscheidend für die Akzeptanz bleibt zudem, dass Menschen die Energiewende mitgestalten können, von ihr profitieren und Energie bezahlbar bleibt.
Klar ist: die ambitionierte Umsetzung der Energiewende ist der beste Weg, um unsere Lebensgrundlagen, unseren Wohlstand und unsere politische Unabhängigkeit zu sichern.
In diesem Blogbeitrag zeigen wir, wie ein 100 % erneuerbares Energiesystem aussehen kann, welche Herausforderungen auf dem Weg dahin liegen und welche Lösungen helfen, diese zu überwinden. Außerdem blicken wir darauf, welchen Einfluss der Ausbau der Erneuerbaren auf die Strompreise haben könnte. Der Beitrag richtet sich an energiepolitisch Interessierte und alle, die wissen wollen, wie das klimaneutrale Energiesystem von morgen aussehen kann.
Inhalt:
- Wie sieht die klimaneutrale Energieversorgung der Zukunft aus?
- Wie viel erneuerbare Energie werden wir zur Verfügung haben?
- Können wir genug Energie speichern?
- Welches Stromnetz brauchen wir?
- Was ist dran an der Sorge um die Versorgungssicherheit?
- Ist der Atomausstieg eine Gefahr für die Versorgungssicherheit?
- Können wir unseren Energieverbrauch komplett aus erneuerbaren Energien decken?
- Wird Deutschland durch die Energiewende zum Energieimporteur?
- Wird Strom teurer?
Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger in unterschiedlichen Sektoren tragen mit etwa 85 % den größten Anteil zu den deutschen Emissionen bei. Gleichzeitig ermöglichen Windkraftwerke an Land und auf See sowie Photovoltaikanlagen eine treibhausgasneutrale Stromerzeugung. Um eine klimaneutrale Energieversorgung im Jahr 2045 zu erreichen, ist deshalb wichtig, in möglichst allen Sektoren erneuerbaren Strom aus Wind und Sonne direkt zu nutzen. So werden fossile Energieträger ersetzt und Emissionen gemindert wie z. B. bei der Umstellung auf E-Mobilität oder dem Einsatz von Wärmepumpen im Gebäudesektor.
In Bereichen, in denen Strom nicht direkt genutzt werden kann (wie teils in der Industrie oder im Luft- und Seeverkehr), werden für eine klimaneutrale Energieversorgung in begrenztem Umfang Wasserstoff und dessen Derivate benötigt – bevorzugt „grüner“ Wasserstoff, der mithilfe von erneuerbarem Strom produziert wird und als treibhausgasneutral gilt. Der vermehrte Einsatz von Strom in Bereichen, in denen bisher Öl, Gas oder Kohle eingesetzt wird, sowie die Produktion von Wasserstoff sorgen dafür, dass der deutsche Strombedarf in den kommenden Jahren ansteigen wird. Trotzdem könnte der Gesamtenergiebedarf Deutschlands von aktuell ca. 2400 TWh pro Jahr bis 2045 je nach Studie auf zwischen 1100 und 1600 TWh gesenkt werden: Die Nutzung von Strom ist nämlich deutlich effizienter als die Verbrennung von Energieträgern und somit Voraussetzung für ein klimaneutrales Energiesystem.
Windkraftanlagen an Land bzw. auf See und Photovoltaikanlagen werden im Jahr 2045 die wichtigsten Erzeugungstechnologien für erneuerbaren Strom in Deutschland sein. Gesetzlich verankert ist der Ausbau für Solar- und Windenergie bislang so: Bis 2040 sollen in Deutschland 400 GW Solar, 160 GW Wind an Land und bis 2045 mindestens 70 GW Wind auf See installiert sein. Mit diesen Zielen kann Deutschland seine energiebedingten Treibhausgasemissionen effektiv senken und das Klima im Einklang mit dem Abkommen von Paris schützen. Aktuell stehen wir jedoch noch hier: Die installierte Kapazität erneuerbarer Energie betrug Ende 2024 ca. 100 GW Solar, 63 GW Wind an Land und 9 GW Wind auf See. Der Ausbaubedarf für die kommenden Jahre ist entsprechend hoch und insbesondere der Zubau von Windenergie läuft zu langsam. Das Zwischenziel für Ende 2024 von installierten 69 GW Wind an Land wurde z. B. um ca. 5,5 GW unterschritten.

Germanwatch
Ausbauziele für Solar- und Windenergie in Deutschland.
Ob der Ausbau langfristig realisiert werden kann, hängt davon ab, ob der regulatorische Rahmen vorteilhaft für den Ausbau gestaltet wird, sodass Investitionen in erneuerbare Energien rentabel für Projektinvestor:innen sind. Auch Modelle, in denen Bürger:innen finanziell von Erneuerbare-Energie-Anlagen profitieren, stärken die Akzeptanz für den Zubau. Deren Ausgestaltung könnte sich also wesentlich auf die zukünftig verfügbaren Kapazitäten auswirken. Für ein versorgungssicheres Energiesystem reicht es jedoch nicht aus, ausschließlich die verfügbare Kapazität von Erneuerbare-Energie-Anlagen zu betrachten. Wichtig ist, wie effektiv und effizient die Energie genutzt wird. Dazu gehört, dass das schwankende Angebot erneuerbarer Energien zum richtigen Zeitpunkt gespeichert oder verbraucht wird und in das Energienetz integriert werden kann.
Wenn wir überwiegend Strom mit Sonne und Wind produzieren möchten, ist es naheliegend, überschüssigen Strom zu speichern und bei Bedarf in das Stromnetz einzuspeisen. Dabei ist für ein versorgungssicheres Energiesystem nicht unbedingt die Menge an gespeicherter Energie entscheidend, sondern dass Energiespeicher zügig und netzentlastend auf die schwankende Erzeugung reagieren. Da die Kosten für Energiespeicher sinken, ist der Markt für Speichertechnologien zurzeit sehr dynamisch. So stieg beispielsweise die Anzahl an Heimspeichern zuletzt stark an.
Der Speicherbedarf im zukünftigen Energiesystem wird sehr unterschiedlich bewertet. In der Systementwicklungsstrategie des Bundeswirtschaftsministeriums sind mindestens 50 GW stationäre Batteriespeicher für das Jahr 2045 vorgesehen; das Fraunhofer ISE geht hingegen von ca. 180 GW aus und das Szenario B im Szenariorahmen der Übertragungsnetzbetreiber, das sich nah an den geplanten Ausbaupfaden für Erneuerbare orientiert, setzt ca. 140 GW an – um drei Beispiele zu nennen. Zum Vergleich: Derzeit sind ca. 14 GW Batteriespeicher installiert. Die Schätzungen weichen voneinander ab, weil der Bedarf für Energiespeicher nur im Zusammenspiel mit anderen Flexibilitätsoptionen wie Elektrolyse, Stromimporten und z. B. der Rückspeisung von Strom aus elektrischen Fahrzeugen bewertet werden kann. Hier bestehen jedoch teils Unsicherheiten zur Kostenentwicklung und den regulatorischen Rahmenbedingungen in den kommenden Jahren.
Neben Batteriespeichern sind für die Betrachtung der zukünftig verfügbaren Speicherkapazitäten Wasserstoffspeicher interessant: Während Batterien den Energiebedarf bei ausbleibender Energieerzeugung stunden- bis maximal tageweise kompensieren können, können Wasserstoffspeicher auch längere Zeiträume mit wenig Sonne und Wind überbrücken und sogar die im Sommer erzeugte Energie bis in den Winter schieben. Die Systementwicklungsstrategie rechnet mit insgesamt ca. 80 bis 100 TWh inländisch benötigter Kapazität für Wasserstoffspeicher, um den vergleichsweise teuren Schiffsimport von Wasserstoff und seinen Derivaten zu begrenzen. Wasserstoffspeicher existieren in Deutschland bislang nur in minimalem Umfang zu Forschungs- und Entwicklungszwecken. Der weitere Ausbau wird Aufgabe der nächsten Jahre sein. Darüber hinaus verfügt Deutschland aktuell über ca. 10 GW Pumpspeicher, deren Ausbaupotenzial durch den benötigten Höhenunterschied im Gelände allerdings begrenzt ist. Insgesamt gilt es, den Ausbau von Energiespeichern sowohl für Strom als auch Wärme bedarfsgerecht an die Veränderungen im Energiesystem anzupassen und gegenüber den anderen verfügbaren Flexibilitätsoptionen abzuwägen.
Dezentrale Stromerzeugung mit wetterabhängigen Erzeugungsspitzen und die Elektrifizierung verändern die Anforderungen an das Stromnetz erheblich. Zunächst besteht ein massiver Ausbaubedarf der regionalen Verteilnetze, weil Erneuerbare-Energie-Anlagen und neue Verbraucher wie Wärmepumpen überwiegend auf dieser Netzebene angeschlossen werden und dort für höhere Stromflüsse sorgen. Außerdem müssen die Stromleitungen der überregionalen Übertragungsnetze ausgebaut werden: Da erneuerbarer Strom aus Windenenergieanlagen auf See vor allem in Norddeutschland produziert werden wird, braucht es Übertragungsnetze, die den Strom weit in den verbrauchsintensiven Süden Deutschlands transportieren können. Für ein klimaneutrales Energiesystem müssen auf dieser Ebene voraussichtlich rund 4.800 km zusätzliche Stromleitungen verlegt und rund 2.500 km bestehende Stromleitungen verstärkt werden. Zuletzt ist für den Ausbau der Stromnetzkapazitäten auch der grenzüberschreitende Stromhandel über sog. Interkonnektoren zu berücksichtigen.
Um den Netzausbaubedarf zu begrenzen, sollte unser Stromnetz parallel digitalisiert und mit einer intelligenten Messinfrastruktur ausgestattet werden. Bei der Erzeugung von Wind- und Solarstrom kann punktuell deutlich mehr Strom eingespeist werden als benötigt. Ein Stromnetz kapazitiv für eine Erzeugungsspitze auszulegen, ist teuer, kann aber vermieden werden, wenn Netznutzer:innen flexibel auf Erzeugungsspitzen und -lücken reagieren können. Mit Smart Meter könnten Netznutzer:innen z. B. ein dynamisches Preissignal erhalten und finanziell profitieren, wenn sie zeitweise ihren Verbrauch erhöhen oder das Einspeisen von Strom drosseln und so das Stromnetz entlasten. Allerdings haben bislang nur etwa 2 % aller Haushalte in Deutschland einen Smart Meter, sodass dieses Potential zur Stärkung der Netzstabilität bei weitem noch nicht ausgeschöpft wird. Netzbetreiber setzen das Abmildern von Erzeugungsschwankungen auch großräumig ein, um das Netz zu stabilisieren, indem sie z. B. das Abschalten von Erneuerbare-Energie-Anlagen in Norddeutschland koordinieren, wenn dort mehr Strom produziert wird, als von Verbraucher:innen genutzt werden kann. Denn: Ein stabil betriebenes Stromnetz beugt Versorgungsunterbrechungen vor.
Die größte Gefahr für eine zuverlässige Energieversorgung in Deutschland ist die Abhängigkeit von fossilen Energieimporten aus Drittstaaten, wie sich in Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine deutlich gezeigt hat. Der plötzliche Lieferstopp von russischem Gas provozierte in Deutschland eine Gasmangellage, die nur durch schnelle Reaktion der Politik und Einsparbemühungen der Verbraucher:innen abgewendet wurde. Um die Auswirkungen der Energiekrise auf die Bevölkerung abzuschwächen und das Risiko von Lieferengpässen zu streuen, wurden infolgedessen zwar Lieferverträge für fossiles Gas mit einer Vielzahl an Staaten abgeschlossen; parallel zeigte sich aber auch, dass erneuerbare Energien stabilisierend auf das Gesamtsystem wirken.
Gleichzeitig stimmt, dass es in einem klimaneutralen Energiesystem Vorkehrungen braucht, um die Versorgung in Zeiten mit geringer Produktion von Wind- und Solarstrom zu sichern. Neben Batteriespeichern und Flexibilitäten ist hier die sogenannte steuerbare Leistung wichtig. Gemeint sind Kraftwerke, die flexibel und unabhängig von der Wetterlage Strom produzieren können. Heute handelt es sich dabei meist um konventionelle Gas- oder Kohlekraftwerke, künftig werden diese mit grünem Wasserstoff betrieben werden. Besonders relevant werden diese Kraftwerke in längeren Zeiträumen mit wenig Wind und Sonne, also während sogenannter Dunkelflauten in den Wintermonaten. Da Deutschland Teil des europäischen Energienetzes ist, werden Dunkelflauten überregional im europäischen Stromnetz durch Stromimporte ausgeglichen, ergänzend kommen steuerbare Kraftwerke oder Batterielangzeitspeicher zum Einsatz.
Wie viel steuerbare Leistung in Zukunft benötigt wird, hängt davon ab, wie gut der momentane Strombedarf an die Erzeugungssituation angepasst werden kann: Flexibilität im Energiesystem reduziert den Bedarf für steuerbare Leistung deutlich und spart Kosten. Da die tatsächlich umsetzbare Flexibilität allerdings wegen technologischer und regulatorischer Unsicherheiten nicht genau vorhergesagt werden kann, schwankt auch der vorhergesagte Bedarf für steuerbare Leistung. Der Think Tank Agora nimmt z. B. einen zukünftigen Bedarf für steuerbare Kraftwerke von ca. 71 GW für das Jahr 2045 an; die Systementwicklungsstrategie geht von ca. 60 bis 80 GW aus, die durch Wasserstoffkraftwerke bereitgestellt werden müssen. Grundsätzlich gilt es, Erneuerbare ambitioniert auszubauen und durch Speicher und Flexibilitäten effektiv in das Stromnetz zu integrieren, um den Zubau teurer konventioneller Kraftwerke auf das absolut Nötigste zu begrenzen.
Der Ausstieg aus der Atomenergie hatte keine nachteiligen Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit in Deutschland. Zwar wurde im ersten Jahr nach dem vollständigen Ausstieg mehr Strom nach Deutschland importiert als exportiert; diese Importe erfolgten aber nicht aufgrund eines Energiemangels, sondern waren eine auf Energiepreisen basierende wirtschaftliche Entscheidung: Unternehmen konnten Strom im Ausland kostengünstiger beschaffen als ihren Strombedarf im Inland über deutsche Gaskraftwerke abzudecken. Die Gaskraftwerke wären trotzdem einsatzbereit gewesen, um die durch den Atomausstieg um 11 % gesunkene Nettostromerzeugung auszugleichen. Auch das Argument, dass vor allem Strom aus der Verstromung fossiler Brennstoffe importiert wurde, stimmt nicht. Zu 49 % bestand die importierte Strommenge aus kostengünstiger erneuerbarer Energie. Ein unmittelbarer Preisanstieg war nicht zu beobachten: Im Verlauf des Jahres 2023 sanken die Großhandelspreise für Strom.
Im Jahr 2035 soll in Deutschland zunächst die Stromversorgung vollständig aus erneuerbaren Energien erfolgen. Zehn Jahre später, im Jahr 2045, soll dann der gesamte Energiebedarf einschließlich der Wärmebereitstellung aus erneuerbarer Energie geleistet werden, was sich entscheidend auf die Entwicklung des Stromverbrauchs auswirkt: Unter der Annahme, dass Deutschland überall dort, wo Strom nicht direkt eingesetzt werden kann, treibhausgasneutralen Wasserstoff und/oder Derivate benötigt, muss erneuerbarer Strom nicht nur für die direkte Stromversorgung, sondern auch für die Produktion anderer Energieträger zur Verfügung stehen; dies erhöht den Bedarf für erneuerbaren Strom deutlich.
Der aktuelle Bruttostromverbrauch in Deutschland liegt bei ungefähr 500 TWh pro Jahr. Wie hoch der Strombedarf im Jahr 2045 sein könnte, variiert je nach Studie zwischen ca. 940 und 1420 TWh pro Jahr – abhängig von der angenommenen Anzahl der Elektrolyseure in Deutschland und dem erwarteten Elektrifizierungsgrad von Industrie-, Verkehrs- und Gebäudesektor. Dem gegenüber steht je nach Studie eine für 2045 angenommene Nettostromerzeugung durch erneuerbare Energien zwischen 750 und 1450 TWh, sofern der derzeit geplante Zubau von Wind- und Photovoltaikanlagen eingehalten wird. Zum Vergleich: Die aktuelle Nettostromerzeugung erneuerbarer Energien liegt bei ca. 260 TWh. Die Erzeugungslücke bei erneuerbarem Strom bis zum Jahr 2045 ist also riesig und erfordert einen sehr ambitionierten Zubau erneuerbarer Energie in den nächsten Jahren, um unseren Energiebedarf mit erneuerbarer Energie annähernd abdecken zu können.

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Strombedarf und Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien in Deutschland.
Um Kosten für Energie zu begrenzen, wird es nicht im wirtschaftlichen Interesse Deutschlands sein, die Lücke zwischen Strombedarf und -erzeugung komplett zu schließen und den insgesamt in der Bilanz benötigten erneuerbaren Strom inklusive Flexibilitätsreserven ausschließlich in Deutschland zu produzieren. Das Aufbauen eines autarken Systems, das nur mit Energie aus Wind und Sonne aus Deutschland betrieben wird und die Produktion grünen Wasserstoffs allein leistet, wäre überdimensioniert, wirtschaftlich ineffizient und anfällig für Netzengpässe. Ein klimaneutrales Energiesystem kann in Deutschland vor allem dann kosteneffizient betrieben werden, wenn es in das europäische Stromnetz eingebunden ist und grünen Wasserstoff und seine Derivate teilweise importiert, denn in Nachbarstaaten kann erneuerbare Energie teils deutlich kostengünstiger produziert werden. Je nach Studie variiert der zukünftige Wasserstoffbedarf (ca. 210 bis 500 TWh) und das prozentuale Verhältnis zwischen heimischer Elektrolyse und Wasserstoffimporten (ca. 40 bis 70 %) stark. Insgesamt werden wir zukünftig aber deutlich weniger Energie importieren als bisher, denn Erdöl, Steinkohle und Erdgas stammen zu mehr als 95 % aus dem Ausland: Im Jahr 2024 importierte Deutschland ca. 2000 TWh fossile Brennstoffe. In den vergangenen Jahren lagen die Kosten für diesen massiven Import von Brennstoffen durchschnittlich bei rund 81 Mrd. jährlich - also rund ein Viertel dessen, was insgesamt bis 2045 für den Ausbau der Übertragungsnetze benötigt wird.
Die Möglichkeit Strom zu importieren, schließt das Bereitstellen von thermischen Kraftwerksreserven und die Installation von Energiespeichern in Deutschland zur Absicherung nicht aus. Sie sind ein Baustein, um die stetige Versorgung mit erneuerbarer Energie sicherzustellen, weil sie flexibel eingesetzt werden können, wenn die Wetterlage nicht zum akuten Strombedarf passt.
Die Entwicklung der Strompreise für Haushaltskund:innen ist mit hoher Unsicherheit behaftet, weil etliche Faktoren im Energiesystem auf die Preisbildung wirken und z.B. unklar ist, wie sich Politiker:innen in Zukunft zur Begrenzung von Strompreisen positionieren werden. Allerdings äußern sich Energieökonom:innen zu möglichen Entwicklungen, was die wesentlichen Strompreisbestandteile betrifft. Der Strompreis setzt sich nämlich zusammen aus a) der Beschaffung (Erzeugung oder Einkauf), dem Vertrieb und der Gewinnmarge, b) den Netzentgelten und c) den Steuern, Abgaben und Umlagen. Im Jahr 2024 summierten sich diese Strompreisbestandteile für Haushaltskund:innen durchschnittlich auf 41,59 Cent/kWh.
Gesichert ist, dass mit steigendem Anteil von Photovoltaik- und Windenergieanlagen an der Stromerzeugung die Kosten für die Erzeugung von Energie sinken. Das Fraunhofer ISE zeigt, dass erneuerbare Energien bereits im Jahr 2024 kostengünstiger als konventionelle Kraftwerke waren und sich diese Kostenvorteile bis zum Zieljahr 2045 verstärken werden. Photovoltaik-Anlagen produzieren schon heute selbst in Kombination mit Batteriespeichern in vielen Fällen günstiger Strom als Kohle- oder Gaskraftwerke. Die Stromgestehungskosten, also die gemittelten Herstellungskosten für eine Kilowattstunde Strom, für Photovoltaik-Anlagen mit Batteriespeicher liegen dabei zwischen 6 und 22,5 Cent/kWh. Für Gasturbinenkraftwerke liegen sie hingegen zwischen 15,4 und 32,6 Cent/kWh. Langfristig könnten die Stromgestehungskosten im Jahr 2045 für kleine PV-Dachanlagen zwischen 4,9 und 10,4 Cent/kWh und zwischen 3,1 und 5,0 Cent/kWh bei PV-Freiflächenanlagen liegen. Auch die Kosten für Stromerzeugung durch Windkraftwerke an Land werden langfristig vermutlich deutlich unter 10 Cent/kWh fallen.
Dem gegenüber wird sich fossile Energieerzeugung durch den steigenden CO2-Preis weiter verteuern. Die Kosten für Wasserstoffkraftwerke, die im zukünftigen Energiesystem als steuerbare Leistung eingesetzt werden und damit bei Energieknappheit preisbestimmend sein werden, könnten im Jahr 2045 zwischen 14,5 und 51,1 Cent/kWh liegen und damit zwar teurer als Wind- und Sonnenenergie sein; das vereinfachte Modell des Ariadne Projekts geht aber davon aus, dass sich der Großhandelspreis für Strom langfristig zwischen 7 und 8 Cent/kWh einpendeln könnte.
Die Netzentgelte sind ein Strompreisbestandteil, der in den kommenden Jahren voraussichtlich ansteigt. Das liegt vor allem an den Kosten des notwendigen Netzausbaus. Die Übertragungsnetzbetreiber beziffern diese bis zum Jahr 2045 auf etwa 320 Mrd. Euro. Und auch die Verteilnetzbetreiber erwarten in den nächsten zehn Jahren Kosten in Höhe von über 200 Mrd. Euro. Darüber hinaus entstehen im Netzbetrieb derzeit teils hohe Kosten, weil Netzengpässe verhindert werden müssen: Noch ist das Stromnetz nicht für die Einspeisung großer Mengen erneuerbarer Energien ausgelegt. Netzbetreiber verhindern eine Überlastung der Netze deswegen mit teils kostspieligen Gegenmaßnahmen. Wichtig ist deshalb auch, das bestehende Stromnetz bestmöglich auszulasten.
Inwiefern die steigenden Kosten für den Ausbau und Betrieb der Netze in den Netzentgelten abgebildet werden sollen und wie diese Kosten verteilt werden könnten, ist stark umstritten. Im Jahr 2024 lag das durchschnittliche Netzentgelt für Haushaltskund:innen bei ca. 12 Cent/kWh. Es ist möglich, dass das Parlament in den kommenden Monaten Maßnahmen verabschiedet, um die Netzentgelte zu reduzieren. In fünf bis zehn Jahren könnten zudem die Netzentgelte für Haushaltskund:innen auf ca. 8 Cent/kWh sinken, weil die Netzkosten durch eine stark zunehmende Elektrifizierung auf einen höheren Strombedarf (u. a. in der Industrie) umgelegt werden. Auch sinken ab diesem Zeitpunkt die jährlichen Kosten für den Netzausbau, da ein Großteil der Investitionen dann bereits getätigt sein wird.
Wie der Strompreis im Jahr 2045 im Vergleich zum Jahr 2025 ausfallen wird, lässt sich nicht gesichert sagen. Es gibt Hinweise darauf, dass mit zunehmender Anpassung an die wetterbedingten Erzeugungsschwankungen der Strompreis für Haushalte langfristig stabilisiert und womöglich sogar gesenkt werden kann, wenn der Netzausbau geschafft ist. Außerdem verursachen Maßnahmen, um einen Strompreisanstieg infolge der Energiewende sozialpolitisch zu flankieren, gesamtgesellschaftlich in jedem Fall geringere Kosten als ein ungebremster Klimawandel. Denn allein für das Jahr 2022 wurden die entstandenen Schäden durch Emissionen und Luftschadstoffe vom Umweltbundesamt auf ca. 301 Mrd. Euro beziffert.
Wie wir ein klimaneutrales und sicheres Energiesystem erreichen können
Im Jahr 2024 wurden 22,4 % des deutschen Endenergieverbrauchs und sogar 54,4 % des deutschen Stromverbrauchs aus erneuerbarer Energie gedeckt. Diese Anteile lassen sich erhöhen und fossile Energien effektiv ersetzen, indem
- erneuerbare Energien ambitioniert zugebaut werden,
- Stromnetze ausgebaut und modernisiert werden,
- der Industrie-, Gebäude- und Verkehrssektor elektrifiziert wird,
- Strombezug und -erzeugung flexibilisiert werden und
- die europäischen Strommärkte stärker als bislang gekoppelt werden.
Richtig bleibt: Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 ist möglich, wenn das Ziel politisch ambitioniert weiterverfolgt wird. Der Ausbau der erneuerbaren Energien und der passenden Stromnetze sind dabei die Kernelemente. Ein klimaneutrales Energiesystem ist langfristig sicherer und preisgünstiger als ein fossiles Energiesystem. Es ist daher jetzt Aufgabe aller Beteiligten, die Weichen für 100 % Erneuerbare zu stellen.