Blogpost | 28.11.2022

Ein Jahr voller Einblicke, Erfahrungen und Begegnungen

Bericht über ein FSJ bei Germanwatch
Germanwatch auf der Klimademo

Vom August 2021 bis zum August 2022 habe ich ein Freiwilliges Soziales Jahr im politischen Leben
(FSJ-P) bei Germanwatch absolviert. Während meines FSJ-P durfte ich einen Einblick in die vielfältige Arbeit der Organisation gewinnen – in diesem Blogbeitrag berichte ich von meinen Erfahrungen.

Mein Weg zu Germanwatch

Während meines Abiturs musste ich überlegen, wie es für mich nach der Schule weitergehen soll. Mir war klar, dass ich nicht direkt mit einem Studium beginnen möchte. Ich habe mich daraufhin nach Freiwilligendiensten in meiner Umgebung umgeschaut. Während meiner Recherche bin ich auf das FSJ-P bei Germanwatch aufmerksam geworden, das vom Trägerverein ijgd (Internationale Jugendgemeinschaftsdienste) angeboten wird. Mein Interesse an Politik und Nachhaltigkeit war vor dem FSJ-P schon groß und ich war begeistert, dass es die Möglichkeit gibt, in diesem Bereich einen Freiwilligendienst zu machen.

Im Februar 2021 habe ich mich daraufhin bei Germanwatch beworben. Anfang Mai folgte das Bewerbungsgespräch und ich wurde zum Probearbeiten eingeladen. Ich hatte auch noch ein zweites Vorstellungsgespräch bei einem Kinderheim, habe mich aber für Germanwatch entschieden, weil mir die Darstellung der FSJ-Tätigkeiten im Bewerbungsgespräch und beim Probearbeiten sehr zugesagt haben. Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass ich hier viel lernen würde.

Klimapolitik beobachten, Teamtreffen vorbereiten

Bei Germanwatch habe ich das Team Internationale Klimapolitik (IKP) in Bonn unterstützt. Das IKP-Team arbeitet zu vielfältigen Themen der internationalen Klimapolitik: Im Fokus stehen zum Beispiel Projekte zu Klimafonds, die jährlich stattfindenden UN-Klimakonferenzen, Partnerschaften mit Organisationen in Nordafrika oder China und Finanzthemen im Klimapolitikbereich. Meine Arbeit im Team hat sich auf den Climate Change Performance Index (CCPI) konzentriert, mehr dazu später.

Das Team besteht aus fast 20 hauptamtlichen Mitarbeiter:innen, dazu kommen die Freiwilligen, Praktikant:innen sowie studentische Hilfskräfte. Im großen Team haben wir uns einmal die Woche zu unseren Teamtreffen zusammengefunden, hier gab es ein politisches Update, wir haben interne Anliegen besprochen und uns Updates zu unseren Projekten gegeben. Die Teamsprache bei diesen Treffen ist Englisch. Zusammen mit der zweiten IKP-Freiwilligen, die in Berlin sitzt, ist es meine Aufgabe gewesen, zu protokollieren und die Termine zu organisieren. Neben den Teamtreffen haben wir der Teamleitung geholfen, die internen Team-Seminare zu planen, die zweimal im Jahr stattfinden. Ansonsten konnten die Kolleg:innen im Team jederzeit auf uns Freiwillige zukommen, wenn sie Unterstützung bei ihren Projekten benötigten. Außerdem sind die Freiwilligen im IKP-Team spezifischen Projekten zugeordnet und arbeiten dort mit ihren festen Betreuer:innen zusammen.

 

Germanwatch auf der Klimademo
Gemeinsam fürs Klima: Im September 2021 wurde in Bonn für mehr Klimaschutz demonstriert – auch einige Germanwatch-Mitarbeiter:innen nahmen teil.

 

Climate Change Performance Index

Im IKP-Team habe ich mich vor allem mit Klimaschutz beschäftigt, noch genauer mit dem CCPI. Der CCPI ist ein Klimaschutz-Index, in dem die Klimaschutzbemühungen von 60 Ländern und der EU in einem Ranking bewertet und verglichen werden. Die Länder im CCPI sind für über 90% der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich und im Index werden sie in den Kategorien Treibhausgasemissionen, Erneuerbare Energien, Energieverbrauch und Klimapolitik „benotet“. Im kleineren CCPI-Team habe ich mit meinen zwei Betreuer:innen zusammengearbeitet, zwischenzeitlich unterstützt durch einen Praktikanten und eine studentische Hilfskraft.

Dabei konnte ich abwechslungsreiche Aufgaben übernehmen. Der CCPI wird jedes Jahr im November oder Dezember während der Weltklimakonferenz veröffentlicht. Von Beginn meines FSJ-P bis zur Veröffentlichung des CCPI gab es viel zu tun, ich musste mich schnell an die Arbeit gewöhnen und mich einfinden. Vor der Veröffentlichung konnte ich zum Beispiel beim Verfassen der Ländertexte helfen. Für jedes der im CCPI bewerteten Länder haben wir einen kleinen Text formuliert, in dem wir die jeweilige Klimapolitik beschreiben und erklären, wie das Land abschneidet. Daneben war eine meiner Hauptaufgaben während des FSJ-P die Betreuung der CCPI-Website. Hier mussten im Laufe des Jahres immer wieder aktualisierte Daten und Grafiken eingepflegt werden.

Im CCPI-Team konnte ich neben vielen organisatorischen Aufgaben, wie Termine erstellen oder Datenanfragen bearbeiten, zu einigen Themen auch selbstständig recherchieren. So habe ich später im Freiwilligenjahr zum Beispiel bei einer kleinen Studie zu Klimainitiativen mitgeholfen. Dabei habe ich zu verschiedenen Themen recherchiert und Informationen aufbereitet. Außerdem durfte ich bei fast allen internen und externen Treffen dabei sein, von denen ich viel mitnehmen konnte. Mit der Zeit konnte ich auch meine eigene Meinung und Sichtweise einbringen.

Eine Organisation, viele Teams

Im Laufe meines Jahres bei Germanwatch habe ich nicht nur einen Einblick in das IKP-Team gewonnen, sondern konnte auch im Team Finanzen Personal und Verwaltung (FPV) und im Team Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ein paar Erfahrungen sammeln. Als Freiwillige bei Germanwatch arbeitet man zu ca. 20% im FPV-Team. Hier übernimmt man typische Büroaufgaben, wie die Post- und Rechnungsbearbeitung oder die Einholung von Unterschriften bei der Geschäftsführung. Ansonsten erledigt man das, was im Arbeitsalltag ansteht oder es wird von Kolleg:innen um konkrete Unterstützung gebeten. Die Post zu bearbeiten war für mich ein angenehmer Ausgleich zu der inhaltlichen Arbeit in meinem Team.

Man hat außerdem als Freiwillige die Möglichkeit, in anderen Teams zu hospitieren. Ich habe mich dazu entschieden, ins BNE-Team reinzuschnuppern. Hier durfte ich bei verschiedenen Bildungsveranstaltungen mitwirken: Ich habe gemeinsam mit der Freiwilligen im BNE-Team einen Vortrag an einer Schule gehalten, wir haben einen Stand bei einer Bildungsmesse in Halle betreut und ich habe bei kleineren Zoom-Veranstaltungen geholfen. Im Bildungsteam konnte ich mich auch mit dem Germanwatch-Bildungskonzept des „Handprints“ vertraut machen. Bei teamübergreifenden Veranstaltungen bin ich außerdem mit anderen Mitarbeiter:innen in den Austausch gekommen und habe mehr über ihre Projekte erfahren.

 

Unterwegs mit dem BNE-Team: Ana (2. v. r.) unterstützt die Bildungsarbeit von Germanwatch.
Unterwegs mit dem BNE-Team: Ana (2. v. r.) unterstützt die Bildungsarbeit von Germanwatch.

 

Meine persönlichen Highlights

Es gab viele Highlights in meinem Jahr bei Germanwatch und von einigen möchte ich hier berichten. Mein erstes Highlight war die Veröffentlichung des CCPI im November 2021. Wir haben viele Wochen auf die Veröffentlichung hingearbeitet und es war etwas ganz Besonderes, zu sehen, wie auf diese Arbeit weltweit reagiert wurde. Der Index bekommt jedes Jahr große mediale Aufmerksamkeit und viele Nachrichtensender haben über den CCPI berichtet. Auch die Pressekonferenz war aufregend. Zum einen, weil der Index veröffentlicht wurde, zum anderen, weil es kurzfristige Probleme mit unserer Website gab – zum Glück konnten wir diese relativ schnell beheben. Im Anschluss habe ich mir die Pressekonferenz nochmal in Ruhe angeschaut – und es war sehr schön, die Veröffentlichung im Nachgang mit dem Team zu feiern.

Für mich waren außerdem die informelleren Treffen ein Highlight während meines FSJ-P. Neben den vielen netten Arbeitstreffen die wir wöchentlich hatten, gibt es auch informelle Treffen, wie Betriebsausflüge, Einstände, gemeinsame Abendessen oder interne Seminare. Ich habe diese Treffen genutzt, um die anderen Mitarbeiter:innen kennenzulernen und nette Gespräche zu führen. Mit dem IKP-Team waren wir zum Beispiel im September 2021 zusammen Kanu fahren und im Mai 2022 gab es einen großen Betriebsausflug in Berlin. Der Betriebsausflug war besonders, weil die Berliner und Bonner Kolleg:innen – Germanwatch hat Büros in beiden Städten – sich nach langer Zeit (wegen der Pandemie) wieder getroffen haben. Wir haben uns kennengelernt, waren spazieren und es gab leckeres indisches Essen am Abend. Es war außerdem schön, die Möglichkeit zu haben, das Berliner Germanwatch-Büro kennenzulernen.

Blick in den Plenarsaal bei den UN-Klimazwischenverhandlungen in Bonn.
Blick in den Plenarsaal bei den UN-Klimazwischenverhandlungen in Bonn.

Mein letztes wichtiges Highlight war die Teilnahme an den UN-Klimazwischenverhandlungen (Subsidiary Bodies – SBs) in Bonn im Juni 2022. Auf der Konferenz hatte ich einerseits die Möglichkeit, dabei zu sein und Eindrücke von den Verhandlungen zu gewinnen. Andererseits gab es zwei spezielle Verhandlungsthemen, die ich im Bereich Klimaschutz verfolgt habe. Ich habe mir die Verhandlungen angehört, protokolliert und mich anschließend bei Treffen vom Climate Action Network (CAN) zu den Themen ausgetauscht und viel zugehört, um zu verstehen wie der UNFCCC-Prozess funktioniert (UNFCCC = United Nations Framework Convention on Climate Change). Am Anfang fiel es mir nicht leicht, die Themen zu verfolgen. Im Laufe der Konferenz habe ich mich dennoch gut eingefunden und hatte meine Verhandlungsthemen gut im Blick.

Als Freiwillige mittendrin: Protestaktion während der Zwischenverhandlungen in Bonn.
Als Freiwillige mittendrin: Protestaktion während der Zwischenverhandlungen in Bonn.

Bei den SBs taucht man in eine ganz andere Welt ein, nachdem man durch die Sicherheitsschleusen im Konferenzgebäude geht. Vetreter:innen aus der ganzen Welt kommen zusammen, um das Problem der Klimakrise anzugehen. Es ist aber gleichzeitig etwas surreal. Es wird nämlich nicht viel über diejenigen gesprochen, die vom Klimawandel betroffen sind, stattdessen geht es eher um Diskussionen zu Verhandlungstexten und die Wortwahl in diesen Verhandlungstexten. Man muss sich immer wieder daran erinnern, warum die vielen Menschen in dem Konferenzgebäude zusammenkommen. Zumindest haben einige zivilgesellschaftlichen Organisationen vor Ort mit kleinen Protesten auf die Problematik von Schäden und Verlusten in der Klimakrise (Loss & Damage) aufmerksam gemacht.

The Good and the Bad

Ich hatte insgesamt bei Germanwatch und besonders in meinem Team eine tolle Zeit. Es gab trotzdem Momente, in denen mir die Arbeit nicht leichtfiel. Etwa ganz am Anfang: Ich wurde zwar sehr herzlich aufgenommen und hatte immer das Gefühl, dass ich Hilfe bekommen würde. Dennoch hat mich die Anfangszeit ein wenig überfordert. Es kamen viele neue Aufgaben auf mich zu, die ich noch nie vorher gemacht habe, und es gab viel Input. Letztlich hat aber alles wunderbar geklappt: Ich konnte mir ziemlich schnell einen guten Überblick über meine Aufgaben verschaffen und habe mich gut in der Organisation eingefunden.

Eine zweite Herausforderung: Nach der Veröffentlichung des CCPI gab es im Dezember noch genug Trubel mit der Nachbereitung des Index – doch als ich aus dem Weihnachtsurlaub zurückkam, sah das etwas anders aus. Die ersten Monate im neuen Jahr waren sehr von der Pandemie geprägt und fast alle Mitarbeiter:innen waren im Homeoffice. Diese Wochen waren etwas zäh und einsam, auch wenn wir weiterhin über Zoom-Meetings in Kontakt standen. Nach dieser Zeit war es schön zu sehen, wie im Frühling langsam mehr Leben ins Büro kam: Wir haben uns im Hof wieder zum Mittagessen getroffen und man konnte den Kolleg:innen in der Küche oder im Gang kurz „Hallo“ sagen. Zum Glück gab es anschließend keine weiteren Corona-Einschränkungen mehr.

Rückblick – ein Jahr bei Germanwatch

Nach einem erlebnisvollen Jahr war meine Zeit als Freiwillige bei Germanwatch vorbei. Ich bin dankbar für die vielen Erfahrungen: Egal ob ich recherchiert habe, auf einer Konferenz war oder einfach eine Routineaufgabe erledigt habe – ich konnte aus allem etwas mitnehmen in diesem Jahr. Ich habe durch Germanwatch eine neue Sichtweise auf viele klimapolitische Debatten erhalten und nehme das Germanwatch-Motto „Hinsehen. Analysieren. Einmischen.“ für meine Zukunft mit.

Autor:innen

Ana Tamblyn