Berlin/Bonn/Belém (5. Nov. 2025). Ab morgen leitet das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs die diesjährige Weltklimakonferenz COP30 im brasilianischen Belém ein. Die Konferenz selbst startet am Montag. Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch sieht sie zehn Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen als Härtetest für funktionierende internationale Klima-Zusammenarbeit in geopolitisch schwieriger Zeit.
“Die Staatengemeinschaft muss nun, wo endlich alle Regeln des Pariser Klimaabkommens verabschiedet sind, vom Verhandeln ins Handeln kommen. Wird sie ernsthaft beginnen, die globale Lücke zu schließen zwischen dem, was nötig ist und dem, was bisher politisch möglich erscheint? Es geht darum, ab jetzt jährlich die noch unzureichenden Klimaziele nachzubessern, einen Plan für den beschleunigten Ausstieg aus den fossilen Energien zu beschließen und einen politischen Durchbruch beim globalen Ziel für die Anpassung an den Klimawandel zu erreichen”, sagt Laura Schäfer, Leiterin des Bereichs Internationale Klimapolitik bei Germanwatch. Neben diesen Themen müsse der UN-Klimaprozess (UNFCCC) auch selbst reformiert werden: “Wenn die UNFCCC jetzt mutig reformiert wird, kann sie vom Forum der Verhandlungen zum Motor des Handelns werden", fügt Schäfer hinzu.
Staaten müssen dabei unterstützt werden, eigene Ziele überzuerfüllen
Klar ist: Die zur Gefahrenabwehr notwendigen Pariser Klimaziele werden auch mit den neuen Klimazielen der Länder nicht erreicht. Petter Lydén, Co-Bereichsleiter für Internationale Klimapolitik bei Germanwatch: “Wichtig ist, ab jetzt jedes Jahr über die bisherigen Ankündigungen hinauszugehen. Es gilt, einen Fahrplan für den beschleunigten Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas zu verabschieden. Die sich ständig verbessernde Wettbewerbsfähigkeit von erneuerbaren Energien und Elektrifizierung sowie andere veränderte Rahmenbedingungen sollten es vielen Ländern ermöglichen, über die bisher vorgelegten Selbstverpflichtungen hinauszugehen. Dies gilt nicht zuletzt für Deutschland und die EU, die mit einem EU-Klimaziel, das erhebliche Schlupflöcher aufweist, nach Belém reisen. Auf der COP30 ist es unerlässlich, dass die Welt Wege findet, um diese größeren Emissionsreduktionen in den kommenden Jahren zu ermöglichen und zu unterstützen.“
Anpassungsziel muss konkret und verbindlich werden
Ein zentraler Prüfstein der COP30 in Belém ist das Globale Ziel für Anpassung. Nachdem in Dubai vor zwei Jahren erstmals ein politisches Fundament geschaffen wurde, muss es in Belém durch Indikatoren messbar und mit Leben gefüllt werden. “Um das Anpassungsziel zu einem echten politischen Hebel zu machen, müssen sich die Staaten auf robuste und gerechte Indikatoren einigen. Diese müssen auch klare Messgrößen für Finanzierung, Kapazitätsaufbau und Technologietransfer enthalten. In Belém entscheidet sich, ob das Globale Anpassungsziel die notwendige Richtung und Verbindlichkeit erhält”, sagt Schäfer.
Finanzierung für Anpassung und Verluste, auch aus neuen Quellen
Ohne ausreichende Finanzierung werden die Ziele des Pariser Klimaabkommens - sowohl im Bereich der Minderung als auch der Anpassung - für die meisten Länder nicht umsetzbar sein. Mit Spannung wird deshalb die Baku-to-Belém Roadmap erwartet, die aufzeigen soll, wie bis zum Jahr 2035 öffentliche und private Gelder in Höhe von 1,3 Billionen US-Dollar jährlich organisiert werden können. “Arme und gefährdete Länder brauchen Klarheit, wie und wann sie verlässliche Finanzierung von den Ländern erhalten können, die die Klimakrise verantwortet haben. Die COP muss sicherstellen, dass es ausreichend öffentliche Mittel für Anpassung sowie Verluste und Schäden und wo notwendig auch Klimaschutz gibt. Angesichts knapper Kassen und gestärkt durch den Internationalen Gerichtshof sollten nun die Verursacher der Klimakrise ihren Beitrag leisten. Deutschland sollte sich etwa einer Gruppe von Staaten anschließen, die eine Abgabe auf Premiumtickets und Privatjets durchsetzt. Die Global Solidarity Levies Taskforce hat diese Initiative vorbereitet. Solche konkreten Vorschläge können neue Finanzquellen mobilisieren, ohne die Schuldenlast armer Entwicklungsländer noch weiter zu erhöhen”, so Ute Sudmann, Co-Bereichsleiterin für Zukunftsfähige Finanzflüsse bei Germanwatch.
Kanzler Merz muss klimapolitische Führungsrolle übernehmen
Bundeskanzler Merz wird am Freitag am vorgeschalteten Leaders Summit in Belém teilnehmen. „Von Bundeskanzler Merz erwarten wir ein klares Signal: Deutschland steht hinter den Zielen des Pariser Abkommens und ist bereit, die notwendigen Veränderungen konsequent im eigenen Land umzusetzen. Das ist Ausdruck notwendiger globaler Verantwortung – und zugleich im direkten sicherheits- und wirtschaftspolitischen Interesse Deutschlands. Denn die Klimakrise zählt zu den größten sicherheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit“, so Schäfer.
Germanwatch erwartet zudem von Bundeskanzler Merz, dass Deutschland seiner weltweiten Führungsrolle auch im Finanzierungsbereich gerecht wird. “Die aktuellen Kürzungen in den Haushalten für 2025 und 2026 gefährden Deutschlands Zusagen für das internationale Klimafinanzierungsziel in Höhe von mindestens 6 Milliarden Euro pro Jahr. Diese Lücke sollte aus dem deutschen Klimatransformationsfonds geschlossen werden. Zudem muss sich Deutschland ein neues Finanzierungsziel setzen. Dieses muss mindestens eine Verdopplung der Haushaltsmittel für die deutsche Klimafinanzierung auf 12 Milliarden Euro bis 2030 vorsehen. Zur Generierung der Mittel sollte Deutschland gemeinsam mit anderen Ländern neue Abgaben nach dem Verursacherprinzip einführen. Das Gutachten des Internationalen Gerichtshofes hat deutlich gemacht, dass ausreichende internationale Klimafinanzierung nicht nur Wohltätigkeit, sondern eine klare rechtliche Verpflichtung ist”, betont Sudmann.
Hinweis: Germanwatch beobachtet den Leaders Summit sowie die COP30 mit einem Team von Expert:innen vor Ort.