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Augen auf Peking

Chinas Kurs entscheidet, welche Richtung die globale Klimapolitik einschlägt. Noch kann Europa sein diplomatisches Engagement darauf ausrichten.

In der globalen Klimapolitik zeichnet sich ein entscheidender Moment ab. Während die Temperaturen steigen und Extremwetter zur neuen Normalität werden, ziehen sich die USA erneut aus der internationalen Verantwortung zurück. Der Blick richtet sich nun auf drei politische Schwergewichte: Berlin, Brüssel und Peking. Vor allem China entscheidet mit seiner Klimapolitik maßgeblich darüber, ob wir den globalen Temperaturanstieg unter zwei Grad halten und womöglich sogar auf 1,5 Grad begrenzen können. Oder aber ob dieses entscheidende Ziel, das die Lebensbedingungen der kommenden Generationen bestimmt, endgültig außer Reichweite gerät.

2025 könnte zum Wendepunkt in der globalen Klimapolitik werden: Zum ersten Mal sinken derzeit Chinas CO2-Emissionen – und das nicht aufgrund einer schwächelnden Wirtschaft, sondern trotz steigenden Energiebedarfs, getragen vom dynamischen Ausbau erneuerbarer Energien. Damit könnte China dieses Jahr den Höhepunkt seiner jährlichen CO2-Emissionen erreichen. Gleichzeitig steht eine zentrale Entscheidung bevor: China steht vor der Veröffentlichung seines 15. Fünfjahresplans. Zudem schuldet das Land den Vereinten Nationen seit Februar die Vorlage seiner neuen und aktualisierten nationalen Klimaziele (Nationally Determined Contributions, kurz: NDCs). Diese Ziele werden die Richtung der chinesischen Klimapolitik bis 2035 bestimmen – und damit maßgeblich beeinflussen, ob die Pariser Klimaziele noch erreichbar bleiben. Ein weiterer Wendepunkt: China hat die EU erst kürzlich als zweitgrößten historischen Emittenten abgelöst. Die Pro-Kopf-Emissionen liegen inzwischen über dem des EU-Durchschnitts, und ungefähr gleichauf mit Deutschland.

  • Deutschland und die EU sollten der Bedeutung Chinas in der internationalen Klimapolitik gerecht werden – insbesondere durch ein intensiveres diplomatisches Engagement in diesem Jahr.

    Foto von Barbara Pongratz
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    Barbara Pongratz

    Referentin für Deutsch-Chinesische Energie- und Klimadiplomatie

    Chinas Bedeutung für den internationalen Klimaschutz

    Die aktuellen geopolitischen Verschiebungen erfordern eine Neuausrichtung internationaler Klima- und Energiekooperation. Deutschland und die EU sollten der Bedeutung Chinas in der internationalen Klimapolitik gerecht werden – insbesondere durch ein intensiveres diplomatisches Engagement in diesem Jahr. Denn die kommenden Monate sind von kritischer Bedeutung. Doch mit Blick auf die Aufstellung der neuen Bundesregierung ist es fraglich, ob Deutschland und Europa dieser Herausforderung gewachsen sind und sich dieser überhaupt ausreichend bewusst sind.

    Derzeit bietet sich ein seltenes Window of Opportunity für die europäische Klimadiplomatie. Noch ist es Zeit, um China zu möglichst ambitionierten Klimazielen zu bewegen – bevor das Land im September, voraussichtlich im Rahmen der UN-Vollversammlung in New York, sein neues NDC vorlegt. Bereits im Juli treffen sich hochrangige Vertreter beider Seiten auf dem EU-China-Gipfel. Es böte sich also eine womöglich entscheidende Gelegenheit für diplomatischen Druck und Absprachen zur gemeinsamen Verantwortung. Aktuell sind Deutschland und die EU jedoch mit internen Herausforderungen beschäftigt – von der strategischen Arbeitsfähigkeit einer neuen Bundesregierung bis hin zu Sicherheits- und Verteidigungsfragen auf EU-Ebene. Diese Punkte könnten der EU-eigenen Klimaambition entgegenstehen. Doch genau von dieser hängt es ab, ob Forderungen an China glaubhaft und mit Nachdruck gemacht werden können.

    Chinas Rolle im internationalen Klimaschutz ist zentral – und unersetzlich. Ohne ambitionierte Klimapolitik im bevölkerungsreichsten Land der Welt ist weder eine globale Energiewende noch die Einhaltung des 1,5-Grad-Limits möglich. Zwei langfristige Pläne Chinas, die dieses Jahr erwartet werden, sind dafür von höchster Bedeutung – und stellen gleichzeitig die Bruchstellen dar, an denen alles scheitern könnte: Die nationalen Klimapläne und Emissions-Ziele bis 2035 und der dafür nötige wirtschaftliche Unterbau, der Fünfjahresplan bis 2030. Zwar treibt China den Ausbau erneuerbarer Energien in beeindruckendem Tempo voran, es setzt aber weiterhin massiv auf Kohle. Der chinesische Energiemarkt und das Stromnetz haben noch großen Transformationsbedarf. Was es in China braucht, ist eine Beschleunigung des Strukturwandels, einen schnelleren Abbau fossiler Abhängigkeiten und einen klar terminierten Kohlekraftausstieg.

    In der internationalen Klimapolitik besteht China weiterhin auf seinem Status als Entwicklungsland – was angesichts seiner Position als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt zunächst widersprüchlich erscheint. Gleichzeitig ist dieses Selbstverständnis nicht unbegründet: Hunderte Millionen Menschen leben weiterhin in relativer Armut, und das Land blickt auf eine Geschichte der Ausbeutung durch westliche Kolonialmächte zurück. Diese Erfahrungen prägen Chinas Perspektive und Forderung nach globaler Klimagerechtigkeit. Dennoch liebäugelt China mit einer Führungsrolle, vor allem mit Blick auf Narrative und Diskurse, agiert aber, wenn es konkret wird, oft opportunistisch. Sein Führungsstatus müsste sich stärker in seinen Ambitionen und Klimazielen widerspiegeln, verbunden mit einer konstruktiven Mitgestaltung internationaler Foren wie der G20 und der UN-Klimakonferenzen.

    Die Konsequenzen für Europa und Deutschland sind eindeutig: Chinas Entscheidungen in diesem Jahr werden maßgeblich beeinflussen, wie nahe wir bei der 1,5-Grad-Grenze bleiben. Jedes Zehntel-Grad ist dabei von immenser Bedeutung. Der diplomatische Handlungsspielraum wird jedoch jeden Monat kleiner – und er hängt besonders von den EU-eigenen Klimazielen ab, die auch noch nicht offiziell eingereicht wurden. Je später Europa handelt und je mehr Ausnahmen sie sich bei den eigenen Ambitionen erlauben, desto geringer wird sein Einfluss sein.

    • Deutschland könnte aufgrund seiner traditionell engen Beziehungen zu China als Brücke und Impulsgeber für den Klimadialog fungieren.

      Foto von Martin Voss
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      Martin Voß

      Referent für Klimadiplomatie und Kooperation – Asien/China

      Der klimapolitische Dialog mit China ist ein Muss

      Mit dem Rückzug der USA aus der internationalen Klimapolitik gewinnt das Verhältnis zwischen der EU und China an Bedeutung. Deutschland und Europa müssen hier Prioritäten setzen. Es gilt, die eigene Führungsrolle in der Klima-Ambition zu wahren. Die UN-Klimakonferenz in Baku im November 2024 hat gezeigt, dass China durchaus bereit sein könnte, eine konstruktive Rolle zu übernehmen. Die zentrale Frage lautet: Wer füllt das Vakuum, das die USA im multilateralen Klimaprozess hinterlassen haben? Deutschland könnte aufgrund seiner traditionell engen Beziehungen zu China als Brücke und Impulsgeber für den Klimadialog fungieren. Doch die Realität sieht anders aus. Die laufende Neuordnung der Verantwortlichkeiten für nationale und internationale Klimapolitik in Berlin – und insbesondere die Verabschiedung des Schwerpunkts „internationaler Klimaschutz“ aus dem Auswärtigen Amt – drohen Deutschlands Rolle in diesem entscheidenden Jahr zu schwächen.

      Was es jetzt in der deutschen Bundespolitik braucht, sind drei Dinge. Erstens ist zunächst mehr Wissen um die gewachsene Bedeutung Chinas in der globalen Klimapolitik notwendig, als Grundstein für effektive Diplomatie mit China. Zweitens braucht es mehr und schnellere Handlungsfähigkeit, vor allem mit Blick auf die derzeitige Neuverteilung der klimapolitischen Kompetenzen. Die diplomatischen Kapazitäten zu Klimafragen müssen ausgebaut, Klima- und Außenpolitik müssen besser verzahnt werden. Drittens ist eine differenzierte Auseinandersetzung mit China erforderlich. Dazu gehört der weitere Ausbau zwischenstaatlicher Beziehungen auf regionaler und städtischer Ebene ebenso wie eine engere europäische Abstimmung zur China-Politik.

      Nicht zuletzt muss Deutschland seine eigenen Klimaambitionen hochhalten, um glaubhaft Ansprüche und Forderungen an China stellen zu können. Hier spielt auch der Zeitplan des EU-NDCs und die Verabschiedung des 2040-Ziels eine wichtige Rolle. Deutschland sollte das vorgeschlagene EU-Ziel der Emissionsreduktion von 90 Prozent bis 2040 unterstützen und nicht zulassen, dass Emissionsreduktionen durch Maßnahmen aus dem Pariser Abkommen verwässert werden. Treibhausgase müssen im Inland reduziert, nicht durch Zertifikate im Ausland kompensiert werden. Die kommenden Monate entscheiden, ob Berlin, Brüssel und Peking gemeinsam das Ruder herumreißen – oder ob das globale Klima kippt. Dabei ist Chinas Rolle zentral – und sie wächst. Deutschland und die EU müssen jetzt klimapolitisch aktiver, strategischer und kohärenter handeln. Es braucht mehr Wissen, mehr Handlungsfähigkeit und mehr gezieltes Engagement. Der klimapolitische Dialog mit China ist kein Bonus, sondern ein Muss.


      Dieser Text erschien am 28.05.2025 in der Rubrik Wirtschaft und Ökologie des IPG-Journals der Friedrich-Ebert-Stiftung.

      Daten zum Blogbeitrag

      Veröffentlichung:
      Autor:innen:
      Barbara Pongratz, Martin Voß
      Permalink: https://www.germanwatch.org/de/node/93176