Fairer Handel statt Almosen!

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Fairer Handel statt Almosen!

Geplante Reform der EU-Zuckermarktordnung würde Bauern in Süd und Nord schaden

 

Im November wird die EU-Kommission über ihre Vorschläge zur Reform der europäischen Zuckermarktordnung entscheiden. Diese sieht unter anderem drastische Preissenkungen um fast 40% vor, die hohe Einkommensverluste für alle Bauern bedeuten, die Zucker in der EU verkaufen - egal ob sie in Europa leben oder in Entwicklungsländern. Die europäischen Bauern sollen dafür erhebliche Ausgleichszahlungen erhalten - im Gegensatz zu ihren Kollegen im Süden.

Vor allem afrikanische Bauern und Bäuerinnen würden zu den großen Verlieren der Reformvorschläge zählen, zum Beispiel in Tansania. Im Norden des Landes wird Zuckerrohr von vielen Kleinbauern gemeinsam mit Tabak, Bananen, Kaffee und Gemüse angepflanzt und zu Zuckerrohrsaft oder Konyagi, einem hochprozentigem Schnaps, verarbeitet. Der Verkauf dieser Produkte ist gerade für Frauen eine wichtige Einkommensquelle.

Besonders der Verkauf von Zuckerrohr an Zuckerfabriken hilft, die Armut in der Region zu verringern. Dies zeigt sich deutlich, seit einige Zuckerfabriken die Produktion wieder aufgenommen haben. Mancherorts beliefern mehr als tausend Kleinbauern eine Fabrik. In Tansania werden mittlerweile jährlich 400.000 Tonnen Zucker produziert - eine Steigerung um 100 Prozent, seit die Privatisierung der Zuckerindustrie vor acht Jahren begann. Der Großteil davon bleibt im Land und deckt den Eigenbedarf Tansanias teilweise ab; rund 22.000 Tonnen werden jährlich in die EU exportiert. Die im Vergleich zum Weltmarktpreis drei- bis viermal höheren Zuckerpreise in der EU bringen den tansanischen Zuckerfabriken wichtige Deviseneinnahmen.

Aus für tansanische Zuckerindustrie?

Doch mit der vorgesehenen drastischen Preissenkung in der EU - von derzeit über 630 Euro auf rund 390 Euro pro Tonne Zucker - würde ein Großteil davon wegfallen. Das Überleben der Fabriken wäre in Gefahr. Einem Hintergrundpapier der EU-Kommission zufolge würden die Reformpläne der Zuckermarktordnung das Aus für die tansanische Zuckerindustrie bedeuten. Denn für den Weltmarkt ist die tansanische Zuckerproduktion im Vergleich zu Ländern wie Brasilien oder Thailand zu uneffektiv und teuer. Und wenn die Zuckerfabriken wieder zumachen, würden Tausende von Kleinbauern, die die Fabriken mit Zuckerrohr beliefern, ihre Existenzgrundlage verlieren.

Ähnlich ist die Lage für Kleinbauern und -bäuerinnen in anderen armen afrikanischen Ländern wie Mosambik und Sambia. Der Export von Zucker in die EU bringt dringend benötigtes Geld ins Land und schafft Arbeitsplätze. Gerade für die ärmsten Länder (viele AKP Staaten in Afrika, der Karibik und dem Pazifik und die sogenannten am wenigsten entwickelten Länder (LDCs)) wären die Reformvorschläge deshalb ein herber Rückschlag im Bemühen, die Armut zu bekämpfen und die Industrialisierung der Landwirtschaft zu fördern.

Teure süße Knolle

Zur Zeit hat Rübenzucker am Weltmarkt einen Anteil von 40 Millionen Tonnen - das sind knapp 30 % - und dies, obwohl die Produktion im Vergleich zum Zuckerrohr deutlich teurer ist. Möglich machen dies zum einen massive Schutzzölle gegen die Einfuhr von Rohrzucker, beispielsweise in die EU oder die USA, zum anderen üppige Subventionen für die Produktion von Rübenzucker. So zahlen die EU-Bürger nach Berechnungen des Bundesrechnungshofes jährlich 6,5 Milliarden Euro an Subventionen für die europäische Zuckerproduktion - das ist mehr als die gesamte deutsche Entwicklungshilfe. Allein 5 Millionen Tonnen Rübenzucker kommen jährlich aus der EU auf den Weltmarkt. Dieser EU-Exportzucker könnte auch in Entwicklungsländern produziert werden und dort Arbeitsplätze und Einkommen schaffen. Seit langem fordern Entwicklungsorganisationen wie Germanwatch daher den Stopp des Exports von subventioniertem EU-Zucker. Er wird mithilfe der staatlichen Zuschüsse unter dem Produktionspreis exportiert und drückt den Zuckerpreis auf Märkten in Entwicklungsländern. Dieses Dumping schadet massiv der dortigen Zuckerproduktion. Es würde voraussichtlich auch nach der Reform weitergehen, da bisher keine wesentliche Senkung der Zucker-Überproduktion in der EU vorgesehen ist.

Reform bietet große Chance

Eigentlich bietet die Reform der Zuckermarktordnung eine große Chance: Es könnte eine sozial und ökologisch verträgliche Zuckerwirtschaft in Nord und Süd etabliert werden. Doch die aktuellen Reformvorschläge gehen nicht in diese Richtung. Germanwatch und viele andere Entwicklungs-, Umwelt- und Bauernorganisationen fordern deshalb dringend wesentliche Änderungen (s. Kasten). Beispielsweise sollte der Zuckerpreis nur sehr moderat gesenkt werden, dafür aber die Zuckerproduktion in der EU von derzeit 130% des Eigenbedarfs auf unter 90% sinken. Das käme auch einer immer wieder geäußerten Forderung der Entwicklungsländer entgegen: "Wir wollen keine Almosen, sondern gerechte Preise und faire Handelsbedingungen."

Kerstin Lanje und Ralf Willinger

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